Jean-Pierre Changeux: ein Porträt – 09.11.2001

Frankreich

Jean-Pierre Changeux

Balzan Preis 2001 für kognitive Neurowissenschaften

Professor Changeux' tiefer und umfassender Beitrag reicht von den grundlegenden molekularen Mechanismen der chemischen Kommunikation im Nervensystem bis hin zu den Lernprozessen und zum Bewusstsein. Ausser seinem ausgezeichneten experimentellen Werk hat Professor Changeux einen theoretischen Beitrag zur Epigenese der neuronalen Netze durch selektive Stabilisierung sich entwickelnder Synapsen und zu verschiedenen kognitiven Aspekten der Erkenntnis geleistet.
Jean-Pierre Changeux hat eine neue Richtung bei der Erforschung der kognitiven Funktionen begründet, indem er sie mit der molekularen Ebene verband.

Porträt


Jean-Pierre Changeux wurde 1936 in Domont (Frankreich) geboren. Anfang der 60er Jahre war er Schüler des Nobelpreisträgers Jacques Monod. Später wurde er Professor für Zellkommunikation am Collège de France und Direktor des Laboratoriums für molekulare Neurobiologie am Institut Pasteur in Paris. Der international anerkannte Biologe ist zudem Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Präsident des Nationalen Komitees für Bioethik von Frankreich.

Seinen Studien über die Funktionsweise der Nervenzellen verdankt er den Ruf, einer der Väter der modernen Neurobiologie zu sein. Grundlegend und wegweisend sind seine Untersuchungen über die Kommunikationsweise von Gehirnneuronen untereinander. Forschungen, die auch die Mitglieder des Balzan-Preiskomitee beeindruckten. So begründete das Gremium seinen Nominationsentschluss wie folgt: „Professor Changeux‘ umfassender Beitrag reicht von den grundlegenden molekularen Mechanismen der chemischen Kommunikation im Nervensystem bis hin zu den Lernprozessen und zum Bewusstsein. Neben seinem ausgezeichneten experimentellen Werk hat Professor Changeux eine neue Richtung bei der Erforschung der kognitiven Funktionen begründet, indem er sie mit dem molekularen Niveau verband.“

In den sechziger Jahren legte der Biologe den experimentellen Grundstein für die Kommunikation zwischen voneinander entfernten Reaktionspunkten eines Proteinmoleküls. Er studierte damals die isolierten Rezeptoren in den elektrischen Organen der Zitterrochen und der Aale. Changeux und seinem Forschungsteam gelang es, erstmals einen Proteinrezeptor als Neurotransmitter zu identifizieren, zu isolieren und seine Funktionsweise zu verstehen.

In der Folge bewiesen sie, dass andere Gehirnrezeptoren für die Übertragung von Impulsen zwischen Neuronen notwendig sind und deshalb grundlegend für höhere Gehirnfunktionen wie gutes Gedächtnis, Lernprozesse, Emotionen, Belohnungs-mechanismen und Bewusstsein sind.

1983 veröffentlichte Jean-Pierre Changeux das Buch „L’homme neuronal“ („Der neuronale Mensch: Wie die Seele funktioniert – die Entdeckungen der neuen Gehirnforschung“), das mittlerweile zum Klassiker auf dem Gebiet der Neurowissenschaften avanciert ist. 

Jean-Pierre Changeux und seine Forschungsgruppe entwickelten als Erste das so genannte Konzept der „Krankheit des Rezeptors“, das heute grundlegende Bedeutung erlangt hat. Andere Forschungsteams haben dieses Konzept aufgegriffen und beweisen können, dass die Schizophrenie mit den Mutationen einer besonderen molekularen Untereinheit verbunden ist und auch die Alzheimerkrankheit mit einem Defizit an Rezeptoren zusammenhängt.

Gleichzeitig wird Changeux auf Grund seiner ausserordentlichen Persönlichkeit und seiner Fähigkeit, Brücken zwischen den Naturwissenschaften und der humanistischen Kultur zu schlagen, als ein „maître à penser“ und Humanist des 21. Jahrhunderts betrachtet. Zwei Bücher mit Gesprächen mit bekannten Wissenschaftlern unserer Zeit beweisen sein philosophisches Interesse. Mit dem Mathematiker Alain Connes („Matière à pensée“, 1989) diskutierte er über das Wesen mathematischer Gegenstände in unserem Gehirn. Mit dem Philosophen Paul Ricœur (Balzan-Preisträger 1999 für Philosophie) setzte er sich über die Beziehungen zwischen Geist und Gehirn auseinander („La nature et la règle“ 1998). Sein Buch „Raison et plaisir“ aus dem Jahre 1994 zeigt zudem sein leidenschaftliches Interesse für die Kunst.

In der Vergangenheit verliehene Balzan Preise für Neurowissenschaften Seit den neunziger Jahren – im Einklang mit zunehmenden Investitionen und Forschungsarbeiten im so genannten „Jahrzehnt des Gehirns“ – zeichnet die Balzan-Stiftung Fortschritte im Bereich der Neurowissenschaften aus und schenkt somit auch einer anderen Fachrichtung aus der Biologie ihre Aufmerksamkeit. 1994 ging der Balzan-Preis an den Franzosen René Couteaux für seine Studien über die Struktur der Nervenzellen. Couteaux starb Ende 1999, doch sein Name wird mit der Entdeckung der Zusammenhänge zwischen Nervenenden und Muskelfasern in Erinnerung bleiben.

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