USA/Polen

Andrzej Walicki

Balzan Preis 1998 für Kultur- und Sozialgeschichte der slawischen Welt

Für seinen aussergewöhnlichen Beitrag zur Kultur- und Sozialgeschichte Russlands und Polens sowie der europäischen Kultur des 19. Jahrhunderts. Sein Werk gilt als wegweisend unter den Arbeiten zur Erforschung des philosophischen und politischen Denkens dieser Gesellschaften, in denen die Auseinandersetzung zwischen Liberalismus und Marxismus im vergangenen Jahrhundert besondere Bedeutung gewann und auch die Gegenwart prägt.

Als Historiker und Philosoph gehört Professor Walicki (1930 – 2020) zu den besten Kennern der russischen und polnischen Geistes- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts. Die wissenschaftliche Fachwelt hat sein enormes Wissen und die Weite seines wissenschaftlichen Horizonts, die sich seinem grenzenlosen Forschungsinteresse verdankt, sehr rasch anerkannt und gewürdigt. Er geht die Kulturgeschichte interdisziplinär an. Geschichte im eigentlichen Sinne umfasst für ihn ebenso die Sozial-, Religions- und Wirfschaftsgeschichte wie die Geistes- und Philosophiegeschichte. Dank dieser polyhistorischen Methode, die von einer umfassenden Bildung und vor allem von einer vielschichtigen Kenntnis der slawischen, aber auch der deutschen Geisteswelt getragen wird, hat Professor Walicki mit über zwanzig Büchern und zahlreichen Artikeln ein Werk geschaffen, das sich als eigenständiger Beitrag zur Geschichte der europäischen Kultur durchgesetzt hat. In einer seiner ersten Arbeiten, die der Sozialphilosophie des russischen Populismus gewidmet war, klärte er 1969 das Verhältnis zwischen dem Marxismus und dem Populismus und zeigte so, wie die Anhänger des Populismus den Ideen von Marx den Weg ebneten. Wir verdanken ihm auch ausgezeichnete Porträts grosser, aber wenig bekannter Persönlichkeiten der russischen Revolutions- und Geistesgeschichte wie z. B. Michajlowskij.

Professor Walicki gelang es auch zu zeigen, wie die von der Raison beherrschte Philosophie der Aufklärer in der romantisch, utopisch und messianisch orientierten slawischen Welt Russlands und Polens aufgenommen wurde. The Slavophile Controversy, 1964 erstmals auf polnisch, in den folgenden zwanzig Johren ouch in Grossbritannien und in den USA erschienen, ist noch heute das grundlegende Werk für das Verständnis der russischen Kultur und ihrer Entwicklung. A History of Russian Thought from the Enlightenment fo Marxism, vor einem Vierteljahrhundert auf polnisch erschienen, heute auch in einer amerikanischen Ausgabe zugänglich, vereint mit seltener Eleganz eine Untersuchung über die russischen Denker mit der allgemeinen Geschichte der russischen Entwicklung. Der russische Liberalismus und die Entstehung des polnischen Nationalbewusstseins sind die anderen beiden grossen Hauptthemen, denen Professor Walicki wegweisende Werke gewidmet hat. Aus seinem umfangreichen Werk lässt sich der allgemeine Schluss ziehen, dass Europas Kultur untrennbar mit seiner Geschichte verbunden ist. Man kann die Geschichte der Völker nicht nur auf dem Hintergrund der Ereignisse, die sie formten,schreiben.

Letztendlich bilden diese Ereignisse nur den Hintergrund der Kultur, die den Völkern ihre Identitàt verleiht.
Als Historiker des 19. Jahrhunderts beleuchtet Professor Waicki die Strömungen und Spannungen, die de europäischen Völker am Ende dieses Jahrtausends beeinflussen. Die Auseinandersetzung zwischen Liberalismus und Sozialismus steht wie im vergangenen Jahrhundert auch heute im Zentrum der grossen Entscheidungen in Europa.

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