Dankesrede – Bern, 23.11.2007

Österreich/Deuschtland

Karlheinz Böhm

Balzan Preis 2007 für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern.

KARLHEINZ BÖHM, Organisation Menschen für Menschen, Äthiopienhilfe

Für sein Lebenswerk im Dienst der Humanität und des Friedens, für sein ungewöhnliches persönliches Engagement, für sein ausserordentlich erfolgreiches Netz von konkreten Fördermassnahmen in Äthiopien, einem der ältesten und ärmsten Kulturländer der Erde

Herr Bundesrat,
Exzellenzen,
Präsidenten und Mitglieder des Preiskomitees,
sehr geehrte Kollegen,
verehrte Gäste,
liebe Freunde,

es ist mir eine grosse Ehre, heute den Balzan Preis für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern für die Arbeit mit meiner Stiftung Menschen für Menschen entgegenzunehmen. Dies ist ein zutiefst berührender Moment in meinem Leben. Ist der Preis doch nicht nur eine ehrenvolle Auszeichnung, sondern bedeutet er zugleich Hoffnung und Zuversicht für Millionen von Menschen in Äthiopien.
Immer wieder muss ich daran denken, was mich vor 26 Jahren motiviert hat, die Idee Menschen für Menschen ins Leben zu rufen und das umzusetzen, was die Basis dieser Idee ist: Der praktische Versuch, die erschreckende Diskrepanz zwischen Arm und Reich, die es in so vielen Teilen unserer einen Welt gibt, abzubauen.
Als ich im Oktober 1981 zum ersten Mal in Äthiopien Menschen begegnete, die in einem Flüchtlingslager lebten, bin ich mit offenen Armen und einem ehrlichen Lächeln auf sie zugegangen, denn diese Sprache verstehen alle.
Es war mir von Anfang an klar, dass – ungeachtet aller Motivation – die Möglichkeiten, etwas in Bewegung zu setzen, und die Fähigkeit, überall dort, wo es auf unserem gemeinsamen Planeten Erde diese Diskrepanzen zwischen Arm und Reich gibt, etwas zu verändern, beschränkt sind.
Ob eine einzelne Person die Welt verändern kann? Lassen Sie mich antworten, wie es Mutter Teresa – die vor beinahe dreissig Jahren ebenfalls diesen wunderbaren Preis der Balzan Stiftung erhielt – mir gegenüber tat, als ich sie einmal angesichts der Grösse Äthiopiens und seiner Probleme auf den berühmten Tropfen auf den heissen Stein angesprochen hatte: “A drop in the sea”, wie die Engländer sagen. “Ein einzelner Tropfen ist zwar wenig, aber ohne Tropfen kann es kein Meer geben”, so ermutigte sie mich. Was bleibt dazu noch zu sagen? Wichtig ist, überhaupt einen ersten Schritt zu wagen – die weiteren ergeben sich oft als logische Fortsetzung von alleine.

Äthiopien, eines der historisch und auch kulturell ältesten Länder der Welt, hat mir für diese meine Versuche, Teilen der Bevölkerung die Möglichkeit einer eigenen Entwicklung zu geben, die Staatsbürgerschaft verliehen als Ausdruck dafür, dass man meine Arbeit als das versteht, was der Name dieser Idee ist: Menschen für Menschen.
Unser heutiges Zusammenleben, das so sehr durch Medien und modernste Technologien geprägt ist, hat Folgen, über deren Ausmass wir uns kaum bewusst sind.
Ich beobachte reiche, wohlmeinende Helfer, die dem Land den vermeintlichen Fortschritt bringen wollen, ohne den Menschen die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu entwickeln.
Meine Vorstellung davon, was man machen muss, wurde und wird geprägt durch den Lehrsatz des griechischen Philosophen Sokrates: “Ich weiss, dass ich nichts weiss.” Wenn man wirklich etwas verändern und den Menschen aus einer unwürdigen Armut heraushelfen will, dann sollte man sich erst mal fragen, woher diese sozialen Notstände kommen und was die betroffenen Menschen machen könnten, um sich selber aus dieser Not heraus in ein besseres Leben zu entwickeln.

Diese Welt, in der wir gemeinsam mit mehr als 6 Milliarden Mitbürgerinnen und Mitbürgern leben, neigt immer wieder dazu, gewisse Verhaltensweisen des Menschen zu verdrängen, die so viele Ungerechtigkeiten auslösen. Eine davon ist zweifellos der Kolonialismus und die 487 Jahre währende brutalste Unterdrückung der Länder des Kontinents Afrika, die jegliche eigene Entwicklung verhinderte, welche hingegen in den meisten Ländern des Kontinents Europa stattgefunden hat. Es ist interessant, dass diese Kolonialherrschaft in unserer sonst so präzisen Aufzeichnung der Menschheitsgeschichte weitgehend verschwiegen wird – und das bereits in den Schulen, an den Universitäten und in allen anderen Ausbildungsbereichen.

Es gibt aber heute nicht nur unzählige menschliche Notlagen und daraus entstehende Konflikte, bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Nein, daraus hat sich auch eine der schrecklichsten Erscheinungen der menschlichen Geschichte, der Terrorismus, entwickelt.
Deshalb werde ich nicht müde, mich weiterhin mit aller Kraft für die Not leidenden Menschen einzusetzen. Es gibt noch viele Ziele, die ich gemeinsam mit meiner Frau und meinen Mitarbeitern in Äthiopien realisieren möchte, damit die Graswurzelbevölkerung im ländlichen Äthiopien sich aus eigener Kraft eine Zukunft aufbauen kann: Auf dem Boden, auf dem sie geboren sind, unter dem Himmel, der unser aller Himmel ist, und mit ihrer eigenen Hände Arbeit.
Dies kann ich nur dank der langjährigen und treuen Unterstützung unserer Spenderinnen und Spender. Ich nehme den Balzan Preis für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern daher auch in Vertretung der vielen Menschen entgegen, die mir ihr Vertrauen schenken und die Stiftung so viele Jahre engagiert unterstützen.

Sehr geehrte Präsidenten und Mitglieder des Preiskomitees, ich danke Ihnen von ganzem Herzen für die ausserordentliche Anerkennung und die unbeschreibliche Freude, die Sie mir mit der Verleihung des Balzan Preises 2007 bereiten.
Dass ich heute hier mit Ihnen zusammen bin, motiviert mich zutiefst, auf diesem Weg unbeirrt weiterzugehen. Meine Zielsetzung ist nicht nur, dass eines Tages in absehbarer Zukunft dieses herrliche Land Äthiopien mit seinen vielen Volks stämmen, die dort zusammen leben, nicht mehr als eines der ärmsten Länder der Erde bezeichnet wird, sondern dass es ein Beispiel wird für so viele andere Staaten, dafür dass wir eine Gemeinschaft von Menschen sind, die miteinander für eine bessere Zukunft leben als Menschen für Menschen.

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