Italien

Paolo Rossi Monti

Balzan Preis 2009 für Wissenschaftsgeschichte

Für seine wichtigen Beiträge zur Erforschung der intellektuellen Grundlagen der Wissenschaft von der Renaissance bis zur Aufklärung

Von Philosophie und Ideengeschichte ausgehend, wandte sich Paolo Rossi Monti (*1923–†2012) mit seinem ersten Buch zur Wissenschaftsgeschichte den Ideen von Francis Bacon zu (Francesco Bacone. Dalla magia alla scienza, 1957) und zeigte auf, wie Bacons Philosophie der Wissenschaften von den intellektuellen Strömungen seiner Zeit geprägt war. Paolo Rossi Montis Quellentreue und sein objektiver Blick auf einen der rätselhaftesten Wissenschaftsphilosophen führten zu einer wahrhaft innovativen Interpretation von Bacons Denken.

Paolo Rossi Montis Interesse für die Komplexität der intellektuellen Prozesse, aus denen die ersten modernen Wissenschaften hervorgingen, führten zum Werk I filosofi e le macchine 1400-1700 (1962). Durch die Verknüpfung von Wissenschaftsgeschichte, Technologie und Philosophie zeigte er deutlich die wechselseitige Abhängigkeit des wissenschaftlichen Denkens und der Praxis einerseits und der technologischen Entwicklung andererseits. Mit seinem Werk über Bacon hat Paolo Rossi Monti neue Wege zum Verständnis der Geschichte der wissenschaftlichen Revolution eröffnet, indem er deren Werden aus der Vereinigung von Erkenntnis und technologischer Kompetenz erklärt.

Sein innovatives Buch Clavis universalis. Arti della memoria e logica combinatoria da Lullo a Leibniz (1960) wendet sich einer zweiten Thematik zu: der Gedächtniskunst im Verhältnis zur modernen kombinatorischen Logik. Es handelt sich um einen grundlegenden Beitrag zur Erforschung der Idee der Gedächtnissysteme, der universellen Sprachen sowie des enzyklopädischen und pansophischen Denkens. Das allmähliche Schwinden der biblischen Gewissheit, dass das Erdalter- und somit die Geschichte der Menschheit- auf wenige Jahrtausende beschränkt ist, bildet das Thema eines weiteren Buches: I segni del tempo. Storia della Terra e storia delle nazioni da Hooke a Vico (1979). Das Aufgeben der von der Bibel geprägten Geschichte, „der Tod des Adam“, im 17. und 18. Jahrhundert, ist gemäss Paolo Rossi Monti das Ergebnis der zahlreichen Versuche grosser Philosophen und Wissenschaftler der damaligen Zeit, sich mit dem Ursprung der Menschheit zu befassen. Die Geologie und die Geschichte, aber auch die Verteidigung alter Schriften mit Hilfe neuer Denkrichtungen, vermochten über diesen „dunklen Abgrund der Zeit“ Klarheit zu schaffen. Paolo Rossi Monti schlägt eine neue Interpretation der Geschichte der Geologie im Zusammenhang mit der zeitgleichen Entwicklung des historischen Bewusstseins vor. Genauso originell ist sein Beitrag zum Ursprung der Sprachen und der Einsicht, dass das Hebräische nicht die Quelle aller Sprachen sein konnte und die Sprachen nicht in der Schöpfung, sondern in der Kulturgeschichte der Menschheit ihren Ursprung haben.

Paolo Rossi Monti analysiert diese Prozesse nicht aus der Perspektive eines unaufhaltsamen Fortschritts der wissenschaftlichen Wahrheit, sondern räumt auch dem intellektuellen und religiösen Widerstand einen wichtigen Platz ein.
Die verschiedenen Aspekte von Paolo Rossi Montis Forschung verschmelzen in dem wichtigen Werk La nascita della scienza moderna in Europa (1997; Die Geburt der modernen Wissenschaft in Europa, 1997), welches dem Laien eine sorgfältige und genaue Geschichte der modernen Wissenschaft im Kontext der sozialen und politischen Geschichte bietet. Die auf genauen Quellenstudien beruhenden, stets klar und scharfsinnig argumentierenden Werke Paolo Rossi Montis sind ein wesentlicher Beitrag zum Verständnis der Beziehungen zwischen Wissenschaftsgeschichte und Geistesgeschichte und ihren Interrelationen mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit.

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