Italien

Mario Torelli

Balzan Preis 2014 für klassische Archäologie

Für die innovative Forschungstätigkeit im Bereich der antiken Kulturen, von den Griechen zu den Etruskern und Römern, für die hohe Relevanz seines wissenschaftlich-methodischen Experimentierens und seiner archäologischen Funde, für die Originalität seines Schaffens, welches in einem sicheren Gesamtkonzept die historisch-epigraphische Recherche, die ikonologische Analyse, die historisch-religiöse Bewertung und die anthropologische Forschung umfasst. Dabei berücksichtigt er stets die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen sowie die ideologischen und institutionellen Aspekte der antiken Kulturen.

Mario Torelli, 1937 in Rom geboren (1937–2020), hat an den Universitäten von Cagliari und Perugia unterrichtet und Lehrgänge und Seminare an den renommiertesten Universitäten vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien, Frankreich und Kanada unterrichtet. Er ist heute Mitglied der Accademia Nazionale dei Lincei und zahlreicher weiterer akademischer Institutionen in Europa und Amerika. Darüber hinaus erhielt er Ehrendoktorate der Universität Tübingen in Deutschland und der Universität Jaén in Spanien.

Als Archäologe mit sehr breit gefächertem Wissen und unglaublicher Beherrschung der Quellen ist er ein Wissenschaftler mit kritischer Geistesschärfe und außergewöhnlichen interpretatorischen Fähigkeiten. Er hat sehr originelle Studien verfasst, die wesentlichen historischen Problemen der antiken Kulturen gewidmet sind und von der Welt der Griechen zu den Etruskern und Römern reichen.
Seine Arbeiten beruhen zumeist auf seiner Forschungstätigkeit vor Ort, wie den von ihm geleiteten Ausgrabungen beim etruskischen Heiligtum von Porta Caere in Veio, beim griechischen Heiligtum und Handelsplatz von Gravisca, beim Hafen von Tarquinia, beim außerhalb der Stadt gelegenen Heiligtum der Aphrodite/Venus in Paestum, beim Heiligtum der Demeter und bei der Agorà von Eraclea. Seine Gesamtdeutungen dieser heiligen Stätten fanden breiten Widerhall und übten starken Einfluss aus, ebenso die in den Jahren 1985 bis 2008 von ihm kuratierten Ausstellungen in der Toskana, in Venedig, in Cortona und in Rom zu den vielfältigen Aspekten der etruskischen Kultur.

Seine meisterhafte Synthese der Geschichte, der Gesellschaft und der Kunst der Etrusker ist beispielhaft sowohl unter dem Gesichtspunkt der profunden Analyse als auch der sorgfältigen historischen Beurteilung. Die Breite von Torellis Interessen wird aus den zwei Essays über griechische und römische Stadtplanung deutlich. Mit dem großen Thema der historischen Bedeutung des römischen Reliefs, das er sowohl durch typologische und strukturelle Bewertungen als auch durch ikonografische Auswertungen von Rang und Ritus erforschte, hat er sich eingehend und in sehr innovativer Weise in Einzelstudien und in umfassenden Synthesen beschäftigt.
Er hat die Verknüpfung der archäologischen, literarischen und epigraphischen Daten herausgearbeitet, um die Inhalte der in der Frühzeit vorherrschenden Ideologie ans Licht zu bringen, was den Kern einer Reihe von grundlegenden Forschungsarbeiten darstellt. Sie sind der Rekonstruktion von römisch-lateinischen Übergangsriten wie in Lavinio gewidmet und ebenso von wichtigen Monumentalbauten in den größten Zentren der klassischen Welt, wie jenem der Aphrodite Sosandra auf der Akropolis in Athen oder der Ara Massima des Herkules in Rom, bis hin zu den figurativen Gruppen berühmter Denkmäler wie dem Zyklus der Metopen des Heraion an der Mündung des Sele-Flusses, der François-Vase oder dem Ludovisischen Thron.

Die Religionsarchäologie in allen ihren Erscheinungsformen und die Archäologie des Handwerks im westlichen Griechenland ist das Thema seiner neuesten Übersichtsdarstellung, worin griechische Ursprünge, italische Aneignungen und lateinische Auswirkungen sehr überzeugend zusammengebracht werden. In den verschiedenen methodologischen Krisen, welche die klassische Archäologie teils gestreift, teils aber auch aufgrund massiver neuarchäologischer Tendenzen voll getroffen haben, war sein sorgfältiger Methodenansatz für fachübergreifende Neuerungen zwar aufnahmebereit, nicht aber für vergängliche Modeerscheinungen.
Sein herausragendes Engagement für eine umfassende Historisierung antiker Praxis – jenseits aller unzweckmäßigen Verallgemeinerungen, die unfähig sind, historische Ereignisse zu erfassen – ist für Generationen von Wissenschaftlern in Italien, Europa und in Amerika vorbildhaft und wird ein wichtiger Bezugspunkt bleiben.

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