Deutschland

Lothar Ledderose

Balzan Preis 2005 für Kunstgeschichte Asiens

Für seine herausragenden Arbeiten zur Geschichte der chinesischen und japanischen Kunst: für seinen innovativen Beitrag zu einer Neuinterpretation der Kunst dieser Länder und zur Herausbildung einer neuen Erkenntnis über ihre Rolle im Rahmen der Weltkunst.

Lothar Ledderose ist einer der weltweit bedeutendsten Forscher auf dem Gebiet der chinesischen Kunstgeschichte. Im Westen wie auch in Ostasien geniesst er hohes Ansehen auf Grund seiner scharfsinnigen und innovativen wissenschaftlichen Arbeiten. Er schöpft aus dem Reichtum des gelehrten Erbes Ostasiens und verknüpft die Strenge der deutschen akademischen Tradition mit Flexibilität und Offenheit für neue Ideen.

Sein Studium absolvierte er an den Universitäten von Köln, Bonn, Paris, Taipei und Heidelberg, wo er mit summa cum laude promoviert wurde. Er setzte seine Studien in Princeton und Harvard fort und verbrachte mehrere Jahre in Ostasien, wo er u. a. am National Palace Museum von Taipei und als Forscher an der Universität von Tokio arbeitete. Diese Erfahrungen machten ihn mit der internationalen akademischen Welt vertraut und gaben ihm neue Perspektiven auf seinen Forschungsgegenstand.
Lothar Ledderose ist einer der wenigen Forscher nicht-chinesischer Herkunft, die sich mit der Kunst der Kalligraphie, der wichtigsten und meistgeschätzten künstlerischen Form der chinesischen Tradition befassen. Seine Pionierarbeiten aus den siebziger Jahren über die Siegelschrift und den eminenten Kalligraphen Mi Fu spielen eine bedeutende Rolle im kleinen Korpus der Publikationen über diese Kunst, die in einer westlichen Sprache verfasst sind.
Nach seiner Ernennung zum Ordinarius für die Geschichte der Kunst Ostasiens an der Universität Heidelberg im Jahr 1976 wird für Lothar Ledderose die chinesische Malerei zu einem seiner Forschungsschwerpunkte. Seine Veröffentlichungen auf diesem Gebiet umfassen innovative interdisziplinäre Arbeiten, wie z.B. The Earthly Paradise. Religious Elements in Chinese Landscape Art (Das irdische Paradies. Religiöse Elemente in der chinesischen Landschaftskunst) aus dem Jahre 1983 und erreichen ihren Höhepunkt 1998 mit Orchideen und Felsen: Chinesische Bilder im Museum für Ostasiatische Kunst Berlin, dem Katalog der Sammlung chinesischer Malerei in Berlin, der als höchster Massstab für Werke dieser Art gilt.

Lothar Ledderose hat einen aussergewöhnlichen Beitrag zum Studium eines traditionellen Kernproblems in der europäischen Erforschung asiatischer Kunst geleistet, nämlich ihre Beziehung zur westlichen Welt. Der 1993 von ihm herausgegebene Katalog Japan und Europa: 1543-1929 enthält einen weitreichenden und bis dahin unbekannten Ansatz zur Interpretation der kulturellen und künstlerischen Modelle der beiden Welten und wurde zu einem Klassiker im Bereich der Erforschung der intellektuellen und kulturellen Beziehungen zwischen Orient und Okzident.
In den neunziger Jahren erprobt Lothar Ledderose neue Wege zur Erforschung der von ihm so genannten modularen Produktion in China. Dabei beschäftigt ihn hauptsächlich die Frage, wie es den Chinesen gelingt, Kunstwerke von hoher Qualität in grosser Zahl und häufig in einem sehr kurzen Zeitraum zu produzieren. Er erklärt dies damit, dass die Hersteller Systeme erarbeiteten, die es erlaubten, Produkte aus einer Vielzahl von standardisierten Teilstücken in immer neuen Kombinationen zusammenzufügen. Sein Werk Ten Thousand Things: Module and Mass Production in Chinese Art, 2000 (Zehntausend Objekte: Modul und Serienproduktion in der chinesischen Kunst) wurde 2002 mit dem Joseph Levenson Book Prize der Association of Asian Studies als bestes Buch des Jahres über das traditionelle China ausgezeichnet. Dieses Werk ist ein fundamentaler Beitrag zu den Paradigmen chinesischer Kunstgeschichte und legt Grundlagen für eine globale Geschichte der Kunst. Lothar Ledderose zeigt, wie eine künstlerische Kreativität, die ihre Wurzeln in natürlichen Prozessen wie Fruchtbarkeit und Vielfalt hat, die gesamte Geschichte der chinesischen Kunst in zahllosen Bereichen durchzieht, angefangen bei den “Terrakottakriegern” des Ersten Kaisers.

Auch als Organisator von Ausstellungen chinesischer und japanischer Kunst ist Lothar Ledderose äusserst erfolgreich. Seine erste Ausstellung, die 1985 in verschiedenen deutschen Städten präsentiert wird, zeigt chinesische Malereien aus der Ming- und Qing-Periode (Katalog Im Schatten hoher Bäume. Malerei der Ming- und Qing-Dynastien [1368-1911] aus der Volksrepublik China). Im gleichen Jahr findet in Berlin eine von ihm betreute Ausstellung über die Verbotene Stadt in Peking statt, die an die 400.000 Besucher anlockt (Katalog Palastmuseum Peking. Schätze aus der Verbotenen Stadt, 1985). Die Ausstellung der Terrakotta-Armee des Ersten Kaisers von China war die wohl umfassendste von allen derartigen Ausstellungen im Westen (Katalog Jenseits der grossen Mauer. Der erste Kaiser von China und seine Terrakotta-Armee, 1991).

In den letzten Jahren konzentriert sich Lothar Ledderose auf die buddhistischen Elemente in der chinesischen Kunst und Kultur und erforscht zu diesem Zweck in Stein gemeisselte buddhistische Schriften, die in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts beginnen. Er beabsichtigt, in Zusammenarbeit mit der Chinese Academy of Social Sciences in Peking und gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Japan und Taiwan, diese Inschriften zu dokumentieren, zu übersetzen und zu analysieren und virtuelle Modelle der Fundstätten zu erstellen.
Professor Lothar Ledderose ist unter den Experten chinesischer und japanischer Kunst, die nicht in diesen Ländern leben, einer der interessantesten. Sein weltweites Ansehen erlaubt es ihm, seine Forschungsprojekte in einem internationalen Rahmen durchzuführen und für mehrere Generationen von jüngeren Forschern fruchtbar zu machen.

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