Frankreich

Yves Bonnefoy

Balzan Preis 1995 für Geschichte und Kritik der Schönen Künste

Seine Arbeiten als Kritiker und Historiker haben, untrennbar von seinem dichterischen Werk, in ausserordentlicher Weise zum Verständnis der gegenwärtigen Situation der Kunst beigetragen. In seinen vergleichenden Studien über die Funktion der Dichtung haben seine Interpretationen die Gründe offengelegt, aufgrund derer wir uns mit den grossen Werken der Vergangenheit verbunden fühlen.

Yves Bonnefoy wurde am 24. Juni 1923 (†2016) in Tours (Indre-et-Loire) geboren und stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Nach dem Bakkalaureat in Philosophie und Mathematik setzte er sein Studium der Mathematik, Wissenschaftsgeschichte und Philosophie an der Pariser Sorbonne fort. Zu seinen Lehrern zählten die Philosophen Jean Wahl, Gaston Bachelard und Jean Hyppolite. Er beschäftigte sich besonders mit Plotin, Hegel, Kierkegaard und Cestov.

Die Kontakte, die er in seiner Jugend mit surrealistischen Kreisen gepflegt hatte, veranlassten ihn zu Überlegungen über die Position und den Wert des Bildes, um davon ausgehend die Vorzugsstellung, die ihm die Surrealisten in ihrer Dichtung eingeräumt hatten, zu hinterfragen. Bald schon wurde er sich darüber klar, die einfache Realität, die Welt der Endlichkeiten, die der Zeit und dem Tod unterworfen sind, sowie eine Kunst, die nicht nur zum Betrachten, sondern auch “zum Leben” einlädt, zu bevorzugen. Diese Betrachtungen entwickelte er in seiner Antrittsvorlesung La Présence et l’Image (1981, auch in: Entretiens sur la poésie, Mercure de France, 1990) am Collège de France. Seit seinem ersten Gedichtband Du mouvement et de l’immobilité de Douve (1953) wurde Bonnefoy als bedeutendster französischer Dichter der Nachkriegszeit anerkannt. Neben seinen Gedichtbänden veröffentlichte Bonnefoy wichtige kritische Arbeiten zur Literatur und – vor allem – zur Malerei. Seine Arbeit über Rimbaud (1961) hat Epoche gemacht. Seine Betrachtungen über Kunstwerke sind untrennbar mit seinem dichterischen Werk verbunden. Seine kritischen Arbeiten über Shakespeare (einschliesslich seiner hervorragenden Übersetzungen dieses Autors), über Baudelaire (und dessen Verständnis der Maler), über Mallarmé, Laforgue, Yeats. Jouve usw. bedeuteten einen Wendepunkt für die Art und Weise, in der ihr schöpferischer Prozess sichtbar gemacht wurde. Bonnefoys Aufmerksamkeit richtet sich auf das Verhältnis von Bewusstsein zu Welt, auf die Erfahrung des Heiligen, auf die Rolle, die die Malerei dem Gegenstand zuspricht, auf das Gesicht, auf die Gegenüberstellung mit der Geschichte und besonders auf die grossen Augenblicke der abendländischen Kulturtradition. Diese kritischen und historischen Arbeiten stützen sich auf einen überall wahrnehmbaren Anspruch: dem Bedürfnis nach wirklicher Gegenwart, nach einer Bejahung der dargestellten Existenz, nach einer ständigen und erneuten Behauptung des Künstlers, sich mit seiner Schöpfung eins zu fühlen.

Die italienische Kunst hat für Bonnefoys dichterisches und kritisches Werk eine bedeutende Rolle gespielt. Die Erfahrungen, die er in einigen italienischen Studienaufenthalten gewinnen konnte, kennzeichnen seine Richtung und seinen persönlichen Stil. Er beschränkte sein Interesse nicht nur auf die Modernen (De Chirico, Morandi), sondern beschäftigte sich auch und vor allem mit der italienischen Kunst zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert, die zum Mittelpunkt seines Denkens wurde. Diese Beschäftigung fand ihren Niederschlag in vielen Büchern, die heute zu den Klassikern ihres Fachs zählen und von denen zwei als die schönsten Bücher dieses Jahrhunderts in französischer Sprache gelten: Rome 1630 (1970) und L’Arrière-Pays (1972). Neben diesen Arbeiten, die Italien einen bevorzugten Platz zuweisen, seien auch seine zahlreichen Essays in Sammelbänden wie L’improbable und Un Rêve fait à Mantoue (mit Abschnitten über Piero della Francesca, Balthus, Ubac, Garache), Le Nuage rouge (Essays über Giovanni Bellini, Elsheimer, Mondrian) und das jüngste Werk Dessin, couleur et lumière (1995), das u. a. Arbeiten über Mantegna, Poussin und Tiepolo enthält, erwähnt. Was das monumentale Werk über Alberto Giacometti betrifft, so ist es bis heute nicht nur das wichtigste Werk über diesen grossen Schweizer Künstler, sondern kann auch als “Manifest” für eine geduldige Annäherung an den dargestellten Gegenstand betrachtet werden. Yves Bonnefoys Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstlern, mit denen gemeinsam er Bücher veröffentlichte, kann als ein weiterer Aspekt für sein enges Verhältnis zur modernen Kunst gelten. Die Bibliographie der Arbeiten, die sich mit Yves Bonnefoy beschäftigen, umfasst ungefähr zwanzig Monographien, eine grosse Anzahl Dissertationen sowie zahlreiche Artikel in vielen Sprachen.

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