Lydia Michaut: Molekulares Entwicklungsprogramm des Auges (News, 20. März 2008)

Schweiz

Walter Gehring

Balzan Preis 2002 für Entwicklungsbiologie

Für seinen grundlegenden Beitrag zur Entdeckung des universellen Prinzips, das dem Körperbau und der Entwicklung des Auges bei Metazoen zugrunde liegt.

Lydia Michaut: Molekulares Entwicklungsprogramm des Auges

www.balzan.org 20. März 2008


Bis zu 400% nimmt die Anzahl der aktivierten Gene im Laufe der Entwicklung des Auges zu. Das ist eines der überraschenden Ergebnisse eines Forschungsprojekts der Universität Basel (Schweiz) an der Fruchtfliege. Finanziert wurde das Projekt zu großen Teilen durch den Balzan Preis 2002 für Entwicklungsbiologie, der an Prof. Walter Gehring verliehen wurde. Insgesamt wurden so über 150.000 einzelne Messungen von Genaktivitäten während der Augenentwicklung analysiert und in einer öffentlichen Datenbank verfügbar gemacht.

Insekten haben komplexe Facettenaugen; Wirbeltiere invers aufgebaute Linsenaugen. Beide Augentypen unterscheiden sich deutlich in ihrer Struktur – und doch stehen die gleichen Gene am Beginn ihrer Entwicklung. Zum besseren Verständnis darüber, wie trotz der Aktivität gleicher Gene sehr unterschiedliche Augentypen entstehen können, ist es notwendig die Aktivität aller beteiligten Gene genau zu kennen.

Am Biozentrum der Universität Basel wurde nun das genetische Programm der Augenentwicklung bei einem Modellorganismus für wirbellose Tiere (Drosophila melanogaster – Fruchtfliege) entschlüsselt. Das auf der umfassenden Nutzung von Genchips basierende Projekt wurde erst durch die finanzielle Unterstützung von Prof. Walter Gehring möglich. Er erhielt den Balzan Preis 2002 für Entwicklungsbiologie und nutzte die Hälfte des Preisgeldes in Höhe von 1 Mio. CHF gemäß den Statuten für ein Forschungsprojekt unter Beteiligung von jungen Wissenschaftern. Dr. Lydia Michaut, eine junge Kollegin von Prof. Gehring erhielt in der Folge die Gelegenheit, dieses Projekt zu starten.
Das nun beendete Projekt führte zu einer großen Anzahl an Daten, die z. T. sehr überraschend sind. Eine umfassende Analyse von Genaktivitäten zeigte, dass während der Insektenentwicklung die Anzahl der aktivierten Gene in Augen dramatisch ansteigt. Sind im Larvenstadium erst 98 Gene für diesen Zweck aktiviert, so sind es im darauf folgenden Puppenstadium bereits 409 und beim ausgewachsenen Insekt 474.

Interessanterweise unterscheiden sich die Funktionen der jeweils aktivierten Gene sehr deutlich. Dazu Dr. Michaut: „Im Larvenstadium dienen 25% der für die Augenentwicklung aktivierten Gene der Regulierung anderer Gene. Sie initiieren also sozusagen die weitere Augenentstehung. Während des Puppenstadiums dienen die meisten Gene bereits der Entstehung der Augenstruktur und im Erwachsenenstadium ist die Genaktivität schon ganz klar auf die Funktionalität der Rezeption und Weiterleitung von Lichtreizen fokussiert.“
Weitere Analysen der Daten und der Vergleich mit entsprechenden Messungen aus der Maus zeigten, dass Drosophila 1.033 Proteine herstellt, die auch bei der Augenentwicklung der Maus von Bedeutung sind. Tatsächlich sind darunter viele Proteine, die erst spät in der Augenentwicklung eine Rolle spielen. Ein starker Hinweis darauf, dass die Verwandtschaft zwischen den beiden Augentypen von Insekten und Maus enger ist, als bisher angenommen.

Die klaren Aussagen des Projekts sind auf Grund seiner sehr großen Datenmenge möglich geworden. Insgesamt wurden 154.000 einzelne Messungen genetischer Aktivitäten mit Hilfe eines speziellen Modellsystems durchgeführt. Dieses nutzte die Tatsachen, dass zum einen ein einziges Gen, PAX-6, am Anfang der Augenentwicklung steht und zum anderen Insekten unter Umständen Augen an Gliedmaßen wie Beinen oder Antennen bilden können.
Durch das Einführen und Aktivieren von PAX-6 in bestimmten Zellen der Fliege konnte das Team von Prof. Gehring Augen an dafür nicht vorhergesehenen Stellen, z. B. den Beinen, wachsen lassen – ein ideales System um jene Gene zu identifizieren, die tatsächlich nur im Zusammenhang mit der Augenentwicklung stehen. Denn vergleicht man die Genaktivität in normalen Fliegenbeinen mit der in Beinen, wo die Augenentwicklung durch PAX-6 initiiert wurde, dann offenbart der Unterschied im Aktivitätsmuster jene Gene, die bei der Augenentwicklung eine Rolle spielen.

Die von Prof. Gehring aus seinem Balzan Preis getätigte Förderung dieses Projekts in Höhe von 500.000 CHF ermöglichte auch die Einrichtung einer öffentlich zugänglichen Datenbank. In dieser werden die umfangreichen Daten über die Genaktivitäten bei der Augenentwicklung Kollegen unentgeltlich zur Verfügung gestellt und erfüllen so das Ideal der Internationalen Balzan Stiftung weltweit die Wissenschaft und Kultur zu fördern.

Pr&D

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