USA

Rosalind E. Krauss

Balzanpreis 2025 für Kunstgeschichte der Gegenwart

Für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen und ihre grundlegende Rolle bei der Etablierung der zeitgenössischen Kunst als Forschungsgebiet.

Die Kunstgeschichte wurde Ende des 19. Jahrhunderts als akademische Disziplin zum Studium der westlichen, nachklassischen Kunst gegründet. Mit dem Aufkommen der Moderne förderte die Kunstkritik die akademische Erforschung lebender Künstler:innen. In den 1960er und 1970er Jahren erweiterte die Disziplin in Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika ihre traditionellen Forschungs- und Lehrgebiete von der Frühen Neuzeit und der Moderne bis zur Gegenwart. Die Nachkriegskunst hat selbst zur Erneuerung der akademischen Disziplin beigetragen. Das heutige globalisierte Kunstsystem wird von unzähligen Institutionen, Veranstaltungen und Publikationen getragen, in deren Kontext Kunsthistoriker:innen, Kurator:innen und Künstler:innen an der Interpretation unserer ästhetischen Realität zusammenarbeiten. Deswegen werden auch die Konzepte und Praktiken der Forschung zur zeitgenössischen Kunst ständig kritisch überarbeitet. In den letzten Jahrzehnten hat die Disziplin dank politisch engagierter und konzeptuell reflektierter Kunst und der wichtigen Rolle von Frauen neue Forschungsmethoden entwickelt, wie feministische und queere, transkulturelle und postkoloniale, poststrukturalistische und ökokritische Ansätze, und sich dabei vom West-Zentrismus abgewandt. Während in den 1980er Jahren akademische Stellen für die Kunstgeschichte der Gegenwart noch selten waren, zieht dieses Fachgebiet heute die größte Zahl von Studierenden an und produziert die meisten wissenschaftlichen Arbeiten.

Rosalind Krauss ist eine der weltweit renommiertesten Wissenschaftlerinnen, die maßgeblich zur Gestaltung und Etablierung des heute führenden Fachgebiets der Kunstgeschichte beigetragen hat. Als Professorin an der Columbia University, Mitbegründerin der einflussreichen Zeitschrift October, äußerst produktive und versierte Autorin, deren Werke in viele Sprachen übersetzt worden sind, ist Rosalind Krauss eine international bewunderte und gefolgte Pionierin der Kunstgeschichte der Gegenwart, deren konzeptionelle Brillanz, akademische Laufbahn und intellektueller Einfluss auf junge Wissenschaftler:innen außergewöhnlich sind.

Das Werk von Professorin Rosalind Krauss, das zu den meistzitierten in diesem Bereich zählt, deckt nicht nur die gesamte Bandbreite und Vielfalt der westlichen modernen und zeitgenössischen Kunst ab, sondern führt auch wichtige kritische Begriffe ein. Um die vorherrschende formalistische Kunstkritik der 1950er Jahre zu überwinden, wandte Professorin Rosalind Krauss strukturalistische und phänomenologische Ansätze auf die moderne Skulptur von Auguste Rodin bis zur Land Art an, wie in ihrem mittlerweile klassischen Werk Passages in Modern Sculpture von 1977. Als Surrealismus-Forscherin entwickelte sie unter Verwendung der Psychoanalyse und des Poststrukturalismus ein neues Verständnis von Medien wie Fotografie und Collage. Wie in The Originality of the Avant-Garde and Other Modernist Myths von 1985 revidierte sie konventionelle Grundbegriffe wie „Originalität“ und prägte auch neue einflussreiche Konzepte wie diejenigen des modernistischen „Rasters“ und der „Skulptur im erweiterten Feld“.

In ihrem Denken und Schreiben erweitert Professorin Rosalind Krauss das Feld selbst, indem sie mit neuen Formen experimentiert, während sie intellektuelle Kreativität mit einer tiefen Reflexion über die philosophischen Grundlagen der Disziplin verknüpft, wie beispielsweise in The Optical Unconscious von 1993, worin sie Schlüsselfiguren des 20. Jahrhunderts wie Pablo Picasso, Piet Mondrian, Max Ernst und Jackson Pollock neu interpretiert. Ihre zahlreichen Schriften, zu denen auch Gemeinschaftswerke und kuratorische Projekte gehören, lassen sich nicht in wenigen Worten angemessen würdigen, sondern können nur erkundet werden, indem man der Einladung zu einer faszinierenden und zum Nachdenken anregenden Lektüre folgt.

Tragen Sie in das Feld Ihre E-Mail-Anschrift ein, damit Sie regelmässig den Newsletter 'Balzan Report' erhalten wollen

Der/die Unterzeichnende erklärt, dass er/sie den Informationsvermerk gemäß der Verordnung (EU) 2016/679 insbesondere im Hinblick auf seine/ihre Rechte gelesen und verstanden hat, und gibt seine/ihre Zustimmung zur Verarbeitung seiner/ihrer personenbezogenen Daten in der Art und Weise und zu den Zwecken, die im Informationsvermerk angegeben sind.
Fondazione Internazionale Premio Balzan